Sylvie Schenk: Maman

Hanser, 22,00 €
Buchcover

„Unsere Mutter, die sprach nur mit der Wäsche und mit Babys“, so beginnt der Text der Autorin Sylvie Schenk über ihre Mutter Renee, in dem sie versucht, ihr näher zu kommen. Schonungslos beschreibt sie das schwierige Verhältnis der Mutter zu ihr und den fünf Geschwistern. Im Lebensweg ihrer „Maman“, deren Mutter bei der Geburt starb, sucht die Autorin den Mangel an Gefühlen und die Beschädigungen: Renees Mutter wurde ungewollt schwanger, das Kind kam nach einigen Monaten in einem staatlichen Kinderheim auf einen Bauernhof, wo es ständig Angst vor Kühen und vor Hunden hatte. Erst als Schulkind wurde es adoptiert und erlebte eine liebevolle Familie, bis „Maman“ als junge Frau in einer arrangierten Ehe sofort schwanger wurde.

Sylvie Schenk wechselt zwischen dem Erzählen ihrer eigenen Kindheit und dem des Lebens der Mutter und übt damit zugleich Kritik an der Verlogenheit der bürgerlichen Gesellschaft. Nicht alles erinnert die Autorin genau, aber Gedanken und Phantasie füllen die Leerstellen aus. „Mamans Leben und mein Leben sind miteinander verflochten wie zwei unterschiedlich gefärbte Wollfäden im schlecht gestrickten Pullover“, schreibt sie. Mit Empathie und Spannung folgt man diesen Geschichten. Es geht um Herkunft und Milieu von den Vierzigern bis in die Sechzigerjahre in Frankreich. In kurzen, thematisch strukturierten Kapiteln wird die Biographie von „Maman“ erzählt. Sylvie Schenk ist eine deutsch-französische Schriftstellerin, geboren 1944 in Chambery, sie lebt seit 1966 in Deutschland.