Alana S. Portero: Die schlechte Gewohnheit
Manche Bücher müssen weh tun, wenn sie der Realität, die sie beschreiben, gerecht werden wollen. Zu Kunst werden sie dann, wenn sie die Zärtlichkeit in ihr entdecken. Die spanische Autorin Alana Portero hat uns mit ihrem Debütroman Die schlechte Gewohnheit ein solches Kunstwerk geschenkt: Wir begleiten eine Protagonistin auf ihrer persönlichen Selbstfindungsreise – und lernen schnell, dass sie sich die Route nicht selbst aussuchen kann. In den armutsgeplagten Vororten Madrids führt sie tagsüber ein Leben als der junge Mann, den alle in ihr sehen und den sie von ihr erwarten. Es ist ein Leben im Schrank, so beschreibt sie es, das nur Nachts zu ihrem eigenen, freien Leben wird, wenn sie auf Absätzen das Madrider Nachtleben betritt. Und selbst diese Aussage ist letztlich zu korrigieren: sie ist niemals frei, ihr Leben niemals ihr Eigen. Weil ihre Familie einfach nicht anders kann, die Gesellschaft nicht anders will und die Wenigen, die wollen, dagegen schlicht nicht ankommen.
Für viele Menschen, die sich auf ähnlichen Reisen befinden, kann dieser Roman ein Anker sein, eine Stimme, ein Schritt aus dem Schrank. Er ist aber auch ein Angebot zur Auseinandersetzung, vielleicht sogar eine nicht ganz schmerzlose, aber umso wichtigere Offenbarung, für all diejenigen, die (vermeintlich?) sein können, wer sie sind. Ein Geschenk ist übrigens auch die Übersetzung von Christiane Quandt, die alle emotionalen Nuancen des Leidens bewahrt, und dabei, wie die Autorin selbst, auch für die Hoffnung und das Glück die richtigen Worte findet.