Cho Nam-Joo: Kim Jiyoung, geboren 1982
Prägt ein System die Wertvorstellungen der Menschen oder sollten sich die Gesetze nach den Werten der Menschen richten? Dies fragt sich die Koreanerin Kim Jiyoung, deren Leben als Frau hier geschildert wird. Als Schwester eines Bruders wird sie benachteiligt, als Schülerin erniedrigt, als Arbeitnehmerin belästigt und spätestens als einsame Hausfrau und Mutter sind ihre Möglichkeiten so begrenzt, dass sie scheinbar all ihre Träume begraben muss und an diesem Schicksal zu zerbrechen droht. Während der Fokus auf ihren individuellen Erlebnissen liegt, lernt man als Leser*in viel über die gesellschaftliche Entwicklung und über die immer noch existierende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in quasi allen Lebensbereichen.
Wer einen emotionalen Roman zum Abtauchen sucht, sucht hier vergeblich, aber diese sehr sachlich erzählte Lebensgeschichte ist ein wichtiges und kluges Buch. Es ist eine Bestandsaufnahme der kollektiven Erfahrung als Frau in dieser Welt und somit ein Beitrag zur Emanzipationsbewegung. In Korea löste es gleichermaßen Begeisterung wie Proteste aus – gut, wenn Literatur so etwas leisten kann.
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