Jenny Erpenbeck: Kairos
Vom ersten Augenblick an, als sich ihre Blicke im Bus trafen, entsteht eine außergewöhnliche Liebe zwischen der 19-jährigen Katharina und dem 55-jährigen Hans, im Ostberlin der Jahre 1986-1992 (der Titel Kairos weist auf den ägyptischen Gott des glücklichen Augenblicks hin).
Der verheiratete Hans ist ein erfolgreicher Schriftsteller in der DDR. Er begeistert Katharina für klassische Musik, erklärt ihr literarische Texte und Brechts Theater. Unbefangen und lebenshungrig gibt Katharina ihre eigenen Interessen und Vorlieben für Hans auf, trotz der Warnungen der Familie und der Freunde. Die ersten kleinen Risse zeigen sich in dieser vermeintlich vollkommenen Liebe, als Hans beginnt, ihre Tagebücher und Briefe zu kontrollieren. Vor dem Hintergrund der untergehenden DDR und den großen politischen Veränderungen geht auch ihre Liebe verloren.
Prolog und Epilog sind im Gesamtbild dieses Romans wichtige Bausteine. Im Prolog wird erzählt, dass Katharina nach dem Tod von Hans verstaubte Kartons erhält, in denen sich sein Privatarchiv befindet. Im Epilog liest Katharina in sechs Aktenordnern über den ehemaligen Stasispitzel Hans mit dem Decknamen „Galilei“.
Subtil und mit psychologischem Einfühlungsvermögen erzählt Jenny Erpenbeck diese Geschichte, die kaum eine/n Leser*in unberührt lässt.
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