Hertha Pauli: Der Riss der Zeit geht durch mein Herz
Hertha Pauli war Schauspielerin unter Max Reinhardt, Autorin mehrerer Bücher, von denen nur wenige auf Deutsch erschienen, Verlegerin und Journalistin. Zu ihren Weggefährten gehörten Joseph Roth und Walter Mehring. Und Ödön von Horvath – seinetwegen unternahm sie einen Selbstmordversuch, über den sie in ihren mit einem Heine-Zitat übertitelten „Erinnerungen“ jedoch nur in einem Nebensatz hinwegstreicht. Diese faszinierende Persönlichkeit berichtet hier von ihrer 1938 begonnenen Flucht aus der Heimatstadt Wien über Zürich, Paris, Marseille und Lissabon nach New York, wo sie zweieinhalb Jahre später eintreffen sollte.
Die traumatischen Fluchterfahrungen beschreibt sie unaufgeregt und mit seltener Leichtigkeit und schafft zugleich immer wieder Raum für zuversichtliche, lebensfrohe Momente. Fast lyrisch schildert sie die wertvollen Augenblicke beim nächtlichen Baden im Marseiller Hafen, nur wenige Minuten, bevor sie zu Fuß zur Flucht über die Pyrenäen aufbricht. Von ihrer Freude über Zufallstreffen mit Heinrich Mann oder Franz und Alma Werfel erzählt sie ebenso wie von der erbarmungslosen Willkür des Krieges, die einige ihrer Zeitgenoss:innen überleben lässt und andere nicht.
Hertha Paulis autobiografisches „Erlebnisbuch“ erschien erstmals 1970, nun wurden diese großartigen Memoiren glücklicherweise neu aufgelegt. Hier schildert sie ihre Flucht vor den Nationalsozialisten so eindringlich wie bedrückend – und zugleich mutig und herzzerreißend!
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