Barbara Honigmann: Georg
„Mein Vater heiratete immer dreißigjährige Frauen. Er wurde älter, aber seine Frauen blieben immer um die dreißig. Sie hießen Ruth, Litzy, das war meine Mutter, Gisela [Gisela May, die berühmte Schauspielerin und Sängerin der DDR] und Liselotte“, schreibt die bekannte Autorin Barbara Honigmann über das bewegte Leben ihres Vaters Georg. Georg wurde 1903 in eine assimilierte jüdische Familie geboren, er starb 1984 und wurde seinem Wunsch entsprechend auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee begraben. Er war als Korrespondent in London tätig und schloss sich jungen, meist jüdischen Menschen an, „die kommunistischen Überzeugungen, Träumen von Gleichheit und Gerechtigkeit“ anhingen. 1949 ging er mit Litzy in die Sowjetische Besatzungszone und trat in die SED ein. Im selben Jahr wurde die Tochter Barbara in Ostberlin geboren, heute lebt sie in einer Jüdischen Gemeinde in Straßburg. War es „naiver Glaube an die sozialistische Brüderlichkeit“, die ihn blind machte gegenüber den kommunistischen Verbrechen, fragt sich die Autorin im Nachdenken über ihren Vater.
Barbara Honigmann erzählt unaufgeregt und liebevoll von eigenen Erinnerungen und bezieht die Gespräche, die sie mit den Ehefrauen geführt hat, mit ein. Man hat den Eindruck, die Sprünge in ihrem Bericht würden den Widersprüchlichkeiten im Leben des Vaters entsprechen. Mit sehr genauem Blick erwähnt sie ihre Auseinandersetzungen mit ihm über politische und religiöse Fragen. Die Lebensbeschreibung des Vaters spiegelt zugleich einen wichtigen Teil der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert wieder.
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